2. Dezember 2022 | Newsletter

3 Fragen an:

Harald Schindele von HS Architekten 

Millionen Tonnen Bauschutt landen jedes Jahr auf Deponien, obwohl die darin enthaltenen mineralischen Rohstoffe wieder verwendet werden könnten. Aber warum wird ausgerechnet auf Baustellen noch immer so verschwenderisch gearbeitet? Der Architekt Harald Schindele hat mit seinem Architekturbüro gerade den 1. Preis des „Ideenwettbewerbs Re-Use am Bau 2022“ gewonnen, weil er zeigt, wie es auch anders gehen kann.
schwarz-weiss Portrait des vor einer Betonwand sitzenden Architekten Harald Schindele

Name: Harald Schindele
Alter: 56 
Wohnort: Berlin 
Beruf: Architekt

Der beste Rat, der mir je gegeben wurde:
Sei großzügig im Denken und Handeln 

Das langlebigste Baumaterial ist:
Naturstein 

Größter unvernünftiger, aber unverzichtbarer Luxus:
durch die Welt fliegen 

Diesen Berliner Ort besuche ich regelmäßig:
Nationalgalerie 

Derzeit bauen Sie ein ehemaliges Studentenwohnheim in der Ahornstraße in Schöneberg um und versuchen so viele Materialien des 60er-Jahre-Baus wie möglich wiederzuverwenden? Können Sie an einem Beispiel erklären, wie das geht?
Solche alten Gebäude sind früher nicht mit dem Gedanken errichtet worden, dass man irgendwann daraus wieder die Materialien entnimmt. Das heißt, wir müssen gucken, welche Dinge überhaupt demontiert werden können, welche keine Schadstoffe haben und welche sich dann auch in einen Logistikkreislauf wieder einspeisen lassen. Bei Beton gibt es so etwas bereits. Da holt der Bagger bereits beim Abbruch das Metall heraus und der Schutt wird später auf Kieselgröße geschreddert. Der kann dann als Zuschlagstoff neuem Beton beigemischt werden. 

Warum ist es sinnvoll, Beton weiterzunutzen?
Beton ist ein großer CO₂-Emittent. Um ihn herzustellen, braucht es eine riesige Hitze, etwa 1250 Grad, um das Bindemittel Zement herzustellen. Außerdem wird Sand aus der Natur entnommen und verursacht damit einen gewaltigen Raubbau an der Natur. Und wenn ein Haus abgerissen wird, bleibt das dann meistens auch noch als Müll übrig. Wir müssen also dringend aus dieser Linearwirtschaft rauskommen und Material im Kreislauf behalten.

Kreislaufwirtschaft ist gerade sehr en vogue – merken Sie das als Architekt, dass Auftraggeber:innen danach fragen, wo Materialien herkommen und wo sie hingehen? 
Unser Architekturbüro arbeitet ja genau in dieser Nische, insofern haben wir persönlich schon das Gefühl, dass sich das Bewusstsein so langsam ändert. Es wäre auf jeden Fall insgesamt viel gewonnen, wenn Menschen darauf stolz wären, wenn ihr Haus zu einem Drittel aus wiedergewonnenen Materialien besteht und sich insgesamt die Gesetzgebung verändern würde. Je weniger technisch eine Anwendung ist, umso einfacher bekomme ich momentan eine Baugenehmigung dafür, Recyclingmaterialien einzusetzen. Alte Fenster kann ich zum Beispiel für ein Gewächshaus nutzen – für einen Wintergarten aber nicht so leicht.

Projekt Ahorngarten 

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