1. September 2023 I Ausgabe 23
Alles auf Grün
Oliver Brendle ist Nachhaltigkeitsbeauftragter des FC Internationale Berlin 1980 e. V., dem ersten als nachhaltig zertifizierten Amateurclub Deutschlands.
Die Sonne knallt auf den blassen Kunstrasen, auf dem junge Frauen in dunkelblauen Trikots ihre Aufwärmrunden drehen. Wenn es nach OLIVER BRENDLE ginge, würde die Mannschaft hier nicht auf dem mit Gummigranulat gefüllten Untergrund trainieren. „Leider hat man als Fußballverein nur bedingt Mitspracherecht, wenn es um die Gestaltung der Plätze geht.“ Oliver Brendle ist der Nachhaltigkeitsbeauftragte des FC Internationale Berlin 1980 e. V. – dem ersten als nachhaltig zertifizierten Amateurclub Deutschlands.
Der Umweltingenieur ist von Tag eins an mit dem FC Internationale verbunden: Einer seiner Kommilitonen hatte 1980 zusammen mit Freunden die Idee, einen Fußballverein zu gründen, der die Dinge anders angeht: mehr Miteinander, weniger Kommerz. „Am Anfang haben wir noch auf der Wiese vor dem Reichstag trainiert“, erinnert sich Brendle. In den nächsten 40 Jahren entwickelt sich der FC Internationale zu einem der größten Amateurvereine Berlins mit heute über 1.300 Mitgliedern.
Soziales Engagement gehört zur DNA des FC: „Zu Beginn waren wir in der Friedensbewegung aktiv, später dann im Kampf gegen Rassismus.“ Oliver Brendle selbst studiert Umwelttechnik, arbeitet ab 1997 als Auditor beim TÜV Rheinland und zertifiziert Unternehmen auf der ganzen Welt für ihr Energie- und Umweltmanagement. Und so rennen zwei jüngere Mitglieder des Vereins 2020 offene Türen bei ihm ein mit dem Vorschlag, die Spielerkleidung und Fanshop-Artikel nachhaltiger zu gestalten. Die Umstellung auf fair gehandelte und ökologische Textilien wird die erste Mission der neu formierten, etwa 15-köpfigen AG Nachhaltigkeit. Doch Oliver Brendle will mehr: „Ein Jahr zuvor hatte ich den 1. FC Köln als ersten Bundesligaverein nach dem ZNU-Standard ‚Nachhaltiger Wirtschaften‘ zertifiziert. Und ich dachte: Was Köln kann, können wir auch.“ Im Zuge von zahlreichen Abendsitzungen, die wegen Corona online stattfinden müssen, schafft es der FC Internationale tatsächlich, bis zum April 2021 alle Anforderungen für die Zertifizierung zu erfüllen.
Ca. 5.000 Kunstrasenplätze gibt es in Deutschland. In jedem sind bis zu 50 Tonnen Gummigranulat eingestreut – eine signifikante Mikroplastikquelle.*
Der Verein bezieht Ökostrom und heizt mit Geothermie, ein Lastenrad steht für Besorgungen bereit. Infomaterialien sowie ein Farbleitsystem sollen Mitglieder und Fans zur Abfalltrennung motivieren, in Workshops erfahren schon die jüngsten Spieler:innen, was Kreislaufwirtschaft bedeutet. Kaputte Tornetze wurden in einer Pilotaktion durch ein Start-up zu Rezyklat verarbeitet und wiederverwertet. Der Arena-Kiosk verkauft Getränke in Mehrwegflaschen und Pfandbechern, einzig beim „sehr emotionalen“ Thema Essen muss die AG Nachhaltigkeit wohl noch Überzeugungsarbeit leisten, bis überwiegend vegetarische Alternativen auf dem Grill landen. Jeden Sommer veranstaltet die AG einen Tag der Nachhaltigkeit, um Mitglieder und Fans an das Thema heranzuführen und Vorbehalte abzubauen. Für sein Engagement bekommt „Inter“ viel Aufmerksamkeit, räumt reihenweise Preise ab, im Januar 2023 gar den „Großen Stern des Sports“ des Deutschen Olympischen Sportbundes. Eine Erfolgswelle, auf der sich Oliver Brendle nicht ausruhen will. „Wir sind gerade dabei, zu erfassen, welche Menge an CO2 bei uns indirekt erzeugt wird, zum Beispiel durch Anreisen zu Trainings und Spielen.“ Die eigentliche Herkulesaufgabe aber sei eine andere: „Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen und für unsere Ziele begeistern.“ Übrigens: Auf einem seiner neueren Plätze kickt der FC Internationale nun auf Korkrasen ohne Mikroplastik. Oliver Brendles Urteil? „Spielt sich super, sagen unsere Mannschaften.“