1. September 2023 I Ausgabe 23
Zukunft auf Probe
Laura Hörold ist Geschäftsführerin der Neuköllner Oper. In dem freien Theater werden klimaneutrale Produktionstechniken erprobt.
Doch der Reihe nach. Seit gut fünf Jahren rückt die Neuköllner Oper Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus. „Wir haben uns mit der Transformationsexpertin Diana Palm zusammengetan, um Einsparpotenziale auszuloten“, erzählt Laura Hörold, die seit 2011 die Geschicke des Theaters mitbestimmt. Mehr LEDs nutzen, Computer nachts runterfahren, Abfall trennen und weniger Papier verbrauchen, das waren erste Schritte. Den Löwenanteil in Sachen CO2 machen aber die vielen Transporte und Anfahrten für die Produktion (10,7 Tonnen CO2-Äquivalente) sowie die Anreise der Mitarbeiter:innen (4,2 Tonnen CO2-Äquivalente) aus, wie die erste Klimabilanz im Coronajahr 2021 zeigte. Die Konsequenz: keine Bestellungen mehr beim Onlinehandel und möglichst mit BVG oder Fahrrad zur Arbeit kommen.
136.000 € beträgt die Förderung durch den Fonds Zero, was zu rund 50 Prozent den Produktionsbedarf der Neuköllner Oper decken wird.
Zwischenzeitlich haben die Geschäftsführerin und ihr Team von einer Ausschreibung der Kulturstiftung des Bundes erfahren: Mit dem „Fonds Zero“ fördert die Stiftung unter anderem nachhaltige Bühnenproduktionen auf dem Weg zur Klimaneutralität. „Das passte wie die Faust aufs Auge“, fand Laura Hörold. Der Plan: Die Neuköllner Oper wird im Rahmen einer Inszenierung der „Frau ohne Schatten“ mit der Regisseurin Ulrike Schwab klimaneutrale Produktionstechniken erproben und für einen zukünftigen Produktionsleitfaden zusammenfassen. „Die Transformation wird vor allem hinter den Kulissen stattfinden“, erläuert Laura Hörold. Für die Musiker:innen Tablets statt Noten auf Papier, wiederverwertete Bühnenbauten, dazu die Vermeidung von weiten An- oder gar Flugreisen: All dies steht auf der Agenda. Hinzu kommt eine solarbetriebene Klimaanlage für den im Sommer oft sehr warmen Probenraum. Ebenfalls nachhaltig: Die Aufführungen kommen en suite, an rund 20 Terminen in dichter Folge auf die Bühne, ohne Umbauten oder Transporte. In der Werkstatt und im Fundus laufen bereits die Vorbereitungen. „Zwei Drittel des Bühnenbildes sollen aus wiederverwerteten Materialien bestehen“, so Laura Hörold. Das heißt etwa: Bodenplatten aus vorherigen Produktionen, Kostüme aus dem Fundus oder aus Secondhandläden, Konstruktionen möglichst aus zertifiziertem Holz und ohne Metalle.
Das Publikum im Saal kann sich durch ein digitales Programmheft scrollen, wird ansonsten von den Veränderungen hinter den Kulissen jedoch wenig bemerken, schätzt Laura Hörold. „Wir werden aber natürlich in der Presseeinladung und via Social Media zu unserem Projekt informieren – und wer gut ins Konzept passen will, lädt sich am besten ein Handyticket und reist klimafreundlich an.“ Ob die Neuköllner Inszenierung von „Frau ohne Schatten“ eine Generalprobe für die Zukunft ist, muss sich zeigen. „Wird schon schiefgehen“ sagt man im Theaterjargon. Und: „Toi, toi, toi.“