7. März 2025 I Newsletter

3 Fragen an:

Cornelia Temesvári, Geschäftsführerin Berliner Büchertisch e. V.

Du liebst Bücher und bist eine richtige Leseratte. Doch wohin damit, wenn sie ausgelesen sind und dein Bücherregal voll ist? Bring sie doch zum Berliner Büchertisch. Das ist ein gemeinnütziger Verein, der die gespendeten Bücher an Menschen und Einrichtungen weitergibt, die sie brauchen. Seit 2018 fanden über 145.000 Bücher ein zweites Leben. Über die Ziele des Vereins sprechen wir mit Cornelia Temesvári.

Berliner Büchertisch
Foto: Berliner Büchertisch

Name: Cornelia Temesvári

Wohnort: Berlin-Schöneberg

Alter: 47

Beruf: Geschäftsführerin Berliner Büchertisch e. V.

Mein liebster Upcycling-Hack: aus kaputten Büchern tolle Schlüsselbretter, Uhren oder sogar Schmuck entstehen lassen

Mein größter unverzichtbarer Luxus: natürlich Zeit mit meiner Familie und Freunden

Mein Lieblingsort in Berlin: der ehemalige Flughafen Tempelhof: ein Stück Freiheit in der Großstadt

Inspiration finde ich: im Gespräch mit meinem Kind, das den größten Gerechtigkeitssinn hat

Der beste Rat, den ich je bekommen habe: „Dass du nicht die ganze Welt ändern kannst, heißt nicht, dass du nichts ändern kannst.” Gerade in diesen Zeiten, in denen wir uns in Krisennachrichten verlieren können, hilft mir dieser Rat sehr.

Können alle ausgelesenen und gut erhaltenen Bücher beim Berliner Büchertisch abgegeben werden oder nur Kinderbücher? 
Wir freuen uns über alle Bücher, die wir sinnvoll für unsere Projekte verwenden können. Grundsätzlich können nach Absprache mit uns aktuelle und gut erhaltene Bücher aller Genres abgegeben werden. Kinderbücher nutzen wir in unserem gemeinnützigen Verein für die Leseförderung und geben sie an Schulbibliotheken oder andere Einrichtungen weiter.  
 
Belletristik und Sachbücher für Erwachsene verkauft unsere Genossenschaft in unseren Second-Hand-Buchläden in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Rixdorf sowie in unserem Onlineshop. Leider können wir jedoch nicht alle Bücher annehmen. Bücher haben einen hohen emotionalen Wert, und viele Menschen möchten sich nur ungern von ihnen trennen. Oft hören wir den Wunsch: „Wir bringen alles zu euch; bitte werft ihr dann weg, was ihr nicht benötigt.“ Wir müssen dann erklären, dass uns das Wegwerfen ebenfalls schwerfällt und wir zum Beispiel keine 30 Jahre alten Bücher aus Kellerlagern annehmen können. 
 
Was macht der Verein ganz konkret mit all den gespendeten Büchern?  
Mit einem Großteil der Kinderbücher unterstützen wir jährlich etwa 130 verschiedene Schulbibliotheken sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen. Schulen oder Kitas können uns eine Anfrage mit Themen- und Alterswünschen senden, und wir stellen dann eine entsprechende Buchspende zusammen. Darüber hinaus führen wir verschiedene Projekte durch, um Kindern die Freude am Lesen zu vermitteln. In unserem Projektraum veranstalten wir Vorlesestunden und Workshops, bei denen die Kinder im Anschluss ein Buch geschenkt bekommen. Mit unserem „Berliner Büchertaxi“ fahren wir zum Beispiel vor Weihnachten in Gemeinschaftsunterkünfte und überbringen den Kindern dort eine Weihnachtstüte, die stets auch ein Buch enthält. 

Unsere „Berliner Büchertaube“ ist ein Lesestipendium, für das Lehrer:innen sozial benachteiligte Kinder aus Berliner Randbezirken bei uns anmelden können. Diese Kinder erhalten dann ein Jahr lang jeden Monat ein Buch. Zusätzlich haben wir Verschenkregale, aus denen sich die Kinder bei jedem Besuch ein Buch aussuchen können, das sie als Geschenk mit nach Hause nehmen dürfen. 
 
Warum engagierst du dich beim Berliner Büchertisch und was möchte der Verein erreichen? 
Im Zentrum unseres Vereins steht die Idee der Bildungsgerechtigkeit. Dazu gehört, dass alle Kinder gut lesen können und auch eigene Bücher zu Hause haben. In vielen Berliner Familien ist dies jedoch nicht selbstverständlich. Die Lesefähigkeit ist in den letzten Jahren stark gesunken – etwa ein Viertel der 15-Jährigen kann nur auf Grundschulniveau lesen, und viele Kinder besitzen überhaupt keine eigenen Bücher. Das ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem. 

Auf der anderen Seite gibt es einen riesigen Ressourcenschatz: Viele Menschen besitzen tolle Bücher, die sie nicht mehr lesen und über die sich andere freuen, die sich keine neuen Bücher leisten können oder bewusst Second-Hand-Bücher kaufen. Ich selbst bin in einem Haushalt mit vielen Büchern aufgewachsen, die mich mein Leben lang begleitet haben. Es ist mir wichtig, dass Kinder die Möglichkeit haben, durch Geschichten fremde Welten zu entdecken.

Die Briefeschreiberin